Die Sache mit der Blende
Beim letzten Fotoausflug kam das Gespräch mal wieder auf das Thema Blende, Schärfentiefe und wie und überhaupt. Die grundlegende Theorie aus der Physik ist ja soweit klar:
Umso kleiner die Blende, desto größer die Schärfentiefe — oder — umso größer der Blendenwert, desto größer die Schärfentiefe.
ABER
Da gibt es ja dann die unterschlagene Theorie, die Praxis und die normative Kraft des Faktischen. 😀
Die unterschlagenen Theorie:
Der Bereich der Schärfentiefe wird durch drei Werte beeinflusst:
- die Brennweite des Objektivs
- die gewählte Blendenstufe
- die Entfernung zum Objekt
Bei konstanter Brennweite und Blende gilt: Umso weiter das Objekt entfernt ist, desto größer ist der Schärfenbereich.
Also, auf kurzen Distanzen macht sich die Blendenwahl deutlich stärker bemerkbar, als auf die Entfernung.
Für genauere Betrachtungen gibt es entsprechende Rechner, auch als App fürs Handy. Hier einer für die schnelle Rechnung im Browser.
Dem schließt sich dann die hyperfokale Entfernung an.
Dies ist die Entfernung zwischen Kamera und Objekt, ab der die hinter dem Objekt liegenden Gegenstände bis ins unendliche scharf abgebildet werden. Der Schärfebereich geht dabei von der halben hyperfokalen Entfernung bis ins unendliche.
Auf gut deutsch:
Bei einem 24mm Objektiv liegt die hyperfokale Entfernung bei
Blende f/1.4 bei ca. 15 Meter, der Schärfebereich damit bei 7,5 Meter bis unendlich
Blende f/22 bei ca 90 Zentimeter, der Schärfebereich damit bei 45 cm bis unendlich
Wer also von einem höher gelegenen Aussichtspunkt Panoramaaufnahmen machen will, der braucht die Blende nicht zu machen, da man auf die kurze Distanz eh nix zum Abbilden hat. 😉
Die Praxis:
Eine kleine Blende heißt erstmal, dass deutlich weniger Licht auf den Sensor bzw. den Film fällt. Somit hat man zwei Möglichkeiten, die richtige Belichtung zu bekommen: Man erhöht die Empfindlichkeit des Sensors oder man verlängert die Belichtungszeit.
Eine erhöhte Empfindlichkeit (ISO Wert über 100) führt pauschal zu Qualitätsverlusten, was landläufig als Rauschen bezeichnet wird. Ob bzw. ab wann man das wahrnimmt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Dazu zählt die Kamera, ob. bzw. wie stark nachbearbeitet wurde und wie sehr das der individuelle Betrachter es wahrnimmt.
Eine verlängerte Belichtungszeit führt bei hinreichend wenig Licht zu Verwacklern und selbst bei “guten” Lichtverhältnissen zu Bewegungsunschärfen sich bewegender Motive.
Wer also einen 400 Meter langen ICE von schräg vorne fotografieren will, und dabei die 400 Meter Zug scharf auf dem Sensor haben will, das bei 250 km/h, der sollte sich nicht wundern, wenn das nichts wird. 😉
Die normative Kraft des Faktischen:
Es existiert für jede Kamera bzw. jeden Kameratypen die förderliche Blende.
Dazu kurz ausgeholt:
Jeder Kamerasensor besteht aus einer Anzahl Pixel, üblicherweise irgendwas zwischen 10 und 36 Millionen. Kennt man die Sensorausmaße, kann man die Größe eines Pixels berechnen. Das dürfte ein sehr sehr kleiner Wert sein.
Die optimale Bildqualität erhält man dann, wenn eine punktförmige Lichtquelle vor dem Objektiv genau einen Pixel auf dem Sensor ausleuchtet.
Die förderliche Blende ist genau die, bei der dieser Zustand eintritt.
Bei meiner 1100D liegt die förderliche Blende bei f/8.5, bei meiner 6D liegt sie bei f/11.
Bei größeren Blendenwerten kommt es durch Beugung der Lichtstrahlen dazu, dass die Ausleuchtung der Pixel nicht mehr optimal ist, was im Endeffekt zu einer wahrgenommenen Unschärfe führt.
Obwohl man also gemäß Theorie mit einem höheren Blendenwert eine größere Schärfentiefe erhält, wird diese Schärfe durch Einflüsse der Sensorgröße ins Gegenteil umgekehrt.
Erschwerend kommt hinzu, dass quasi kein Objektiv über die komplette Blendenbandbreite gleichmäßig gute Abbildungsleistungen hat. Üblicherweise liegen gute Abbildungsleistungen bei Blenden zwischen f/4 und f/11, davor oder danach geht die Qualität merkbar nach unten.
Wer also sein Equipment jenseits der Blende f/11 betreibt, um höheren Schärfentiefe zu erreichen, wird wahrscheinlich wenig Erfolg haben.
Um “Erfolg” beim Fotografieren zu haben, muss man einerseits sein Equipment kennen, wissen, was man beim konkreten Motiv erreichen will und dann dementsprechend die Einstellungen tätigen.
Es gibt halt kein Patentrezept.
Ein Gedanke zu „Die Sache mit der Blende“
dem ist (fast) nichts hinzuzufügen. Nur eins: bei “film” (dieses altmodische Zeug) sind auch Blenden kleiner als 11 noch scharf.Kritisch wird es bei Kleinbild erst ab f32.