Die Verkehrspolitik im Landkreis Eichsfeld

Die Verkehrspolitik im Landkreis Eichsfeld

Die kna­cki­ge Zusam­men­fas­sung: Die Über­schrift hat mehr Sub­stanz als die Ver­kehrs­po­li­tik im Land­kreis Eichsfeld. Und bei gera­de mal fünf Wör­tern will das schon was heißen.

Kurz zu mir bzw. mei­nem Mobi­li­täts­kon­zept:
Im All­tag ach­te ich auf mög­lichst kur­ze Wege, die ich dann zu Fuß oder mit den Öffies zurück­le­ge. Gele­gent­lich kommt auch mal eine Taxi­fahrt oder eine Run­de mit einem Car­Sha­ring Auto vor.
Mög­lichst kurz heißt so 500 Meter zum nächs­ten Super­markt, wäh­rend der Arbeits­weg auch mal sechs Kilo­me­ter sein kann, was für eine Stadt wie z.B. Ber­lin schon rela­tiv kurz ist.
Bei Frei­zeit­fahr­ten steht dann an ers­ter Stel­le die Bahn, gefolgt vom Miet­wa­gen und gele­gent­li­chen Fernbusfahrten.

Moti­va­ti­on für die­ses Kon­zept waren vom Anfang an die Kos­ten. Ein Auto ist für eine Per­son die teu­ers­te Vari­an­te um von A nach B zu kom­men. Da ich in mei­nem Leben ein paar Mal umge­zo­gen bin, konn­te ich das Kon­zept schluss­end­lich soweit opti­mie­ren, dass 99% mei­ner Aus­ga­ben für die Mobi­li­tät auf Frei­zeit­fahr­ten ent­fal­len, das ver­blei­ben­de 1% ent­fällt auf den All­tag. Es kön­nen auch mal 98% — 2% sein, so ganz sicher bin ich mir da nicht, bei der Rela­ti­on ist das aber auch nicht entscheidend.

Durch Coro­na hat es mich für zwei­ein­halb Jah­re in den Land­kreis Eichsfeld ver­schla­gen, wo ich dann die dor­ti­ge Ver­kehrs­po­li­tik genie­ßen konn­te.
Pau­scha­le Fest­stel­lun­gen a la “auf dem Land” oder “in der Groß­stadt” hel­fen hier aller­dings nicht wei­ter.
Denn Land ist nicht Land und auch in einer Groß­stadt kann man mit den Öffies pla­ne­risch eini­gen Unfug bau­en — aber das wäre ein ande­res Thema.

Qua­si mit­ten im Land­kreis Eichsfeld liegt mit dem Bahn­hof Lei­ne­fel­de ein abso­lut genia­ler Eisen­bahn­kno­ten.
Von dort gibt es zeit­lich attrak­ti­ve Ver­bin­dun­gen zu den ICE Bahn­hö­fen Erfurt, Kas­sel und Göt­tin­gen und auch eine Direkt­ver­bin­dung nach Hal­le. Wobei die Städ­te Göt­tin­gen und Kas­sel auch als Arbeits­platz für die Men­schen aus dem Land­kreis Eichsfeld rele­vant sind. Eben­so die Städ­te wie Nord­hau­sen, Mühl­hau­sen und Hei­li­gen­stadt, die man direkt von Lei­ne­fel­de errei­chen kann.
Das Pro­blem am Bahn­hof Lein­fel­de: Da muss man erst­mal hinkommen.

Vor gut einem Jahr woll­te ich in Göt­tin­gen ein paar Klei­nig­kei­ten ein­kau­fen. Für die Klei­nig­kei­ten war kein PKW not­wen­dig, die 14 €uro für die Zug­fahrt waren güns­ti­ger als der Sprit für 100 km Auto­fahrt, 35 Minu­ten Fahr­zeit sind in Ord­nung — nur wie kommt man sams­tags von Gern­ro­de zum Bahn­hof?
Öffies — nein.
Mit dem PKW, den dort kos­ten­pflich­tig auf den Park­platz stel­len — dann ist man teu­rer, als mit dem Auto direkt zu fah­ren — also nein.
Gut, ich hab den fami­liä­ren Chauf­feur­ser­vice genutzt — Glück gehabt.

Dann saß ich im RE 1 nach Göt­tin­gen. Wenn die­ser Fried­land pas­siert, ers­ter Bahn­hof in Nie­der­sach­sen, und man nach rechts schaut, sieht man einen (kos­ten­lo­sen) Park­platz für geschätzt 30 bis 40 PKWs und eine Fahr­rad­box, in der man das Fahr­rad wet­ter- und dieb­stahl­ge­schützt abstel­len kann. Sieh da, da hat jemand Ver­kehrs­po­li­tik ver­stan­den.
Und Fried­land ist kein Ein­zel­fall, wie ich in den letz­ten Wochen sehen konn­te. Wei­te­re Bei­spie­le wären da das Ört­chen Tri­an­gel, nörd­lich von Gif­horn, oder Börß­um, süd­lich von Wol­fen­büt­tel gele­gen.
Alle drei Ort­schaf­ten haben dabei gera­de mal eine stünd­li­che Anbin­dung an die nächs­ten grö­ße­ren Städ­te.
Fried­land: Göt­tin­gen und Kas­sel
Tri­an­gel: Gif­horn und Braun­schweig, sowie mit Umstieg Wolfs­burg
Börß­um: Wol­fen­büt­tel und Braun­schweig
Somit bie­ten die­se Orte den Ein­woh­nern aus der nähe­ren Umge­bung einen attrak­ti­ven Umstieg auf die Bahn an, wenn es für die Men­schen passt.

Und im Land­kreis Eichsfeld?
Nichts!
Da kam der Land­rat Dr. Wer­ner Hen­ning vor Jah­ren auf die gran­dio­se Idee, die direk­te Stra­ßen­ver­bin­dung von zwei Ort­schaf­ten zum Bahn­hof Lein­fel­de kap­pen zu wol­len — die kön­nen ja auch Umwe­ge über die Auto­bahn fah­ren. Zum Glück wur­de das nicht rea­li­siert.
Neu­er­dings ver­sucht man dem Ver­kehr in Hei­li­gen­stadt mit­tels 30er Begren­zung Herr zu wer­den, da in der Stadt trotz Auto­bahn und Orts­um­ge­hung zu viel Ver­kehr ist.
Auf die Idee, die dort arbei­ten­den Men­schen mit­tels attrak­ti­ver Ange­bo­te auf die Bahn zu zie­hen, kommt da wohl kei­ner.
Klar, CDU Poli­ti­ker kön­nen sich beim 49 € Ticket dar­über beschwe­ren, dass es nur den Stadt­be­woh­nern nutzt. Wenn man so untä­tig ist wie der Land­rat Hen­ning, ist das sogar vail­de.
Nur ist das Pro­blem nicht das Land, son­dern die Untä­tig­keit der dort Verantwortlichen.

Eine Bei­spiel­rech­nung:
Max Mus­ter­mann wohnt in Deu­na und arbei­tet in Hei­li­gen­stadt. Die Fahr­zei­ten der Züge Nie­deror­schel — Hei­li­gen­stadt pas­sen zu sei­nen Arbeits­zei­ten. Gere­chent auf 20 Arbeits­ta­ge im Monat.
Fahrt mit dem Auto: ~1400 km pro Monat, bei 20 € Sprit auf 100 km macht das 280 € im Monat
Fahrt mit dem Auto zum Bahn­hof Nie­deror­schel, wei­ter mit dem Zug: 300 km mit dem Auto -> 60 €, dazu das 49 € Ticket, macht 110 € im Monat. Eine Erspar­nis von 170 €. Pro Monat.
Nur Park­plät­ze am Bahn­hof Nie­deror­schel — Fehlanzeige.

Was Max Mus­ter­mann mit dem gespar­ten Geld machen könn­te, was das für die Wert­schöp­fung im Land­kreis bedeu­ten wür­de, wel­che Ange­bo­te ent­ste­hen könn­ten, das könn­te man dann in einem ande­ren Bei­trag mal durchspielen.

Neben dem finan­zi­el­len Desas­ter für die Men­schen im Land­kreis folgt direkt ein ande­res Pro­blem.
Der Mensch ist ein Gewohn­heits­tier. Nutzt er im All­tag das Auto, wird er in der Frei­zeit auch das Auto nut­zen. (Ich ken­ne das anders­rum, als ich noch alles mit der Bahn erle­di­gen woll­te, bis ich dann das Miet­au­to mit in mein Kon­zept auf­nahm.)
Somit dürf­ten die wenigs­ten Men­schen im Land­kreis wis­sen, was man von Lei­ne­fel­de aus alles errei­chen kann.

Mit ein­mal Umstei­gen erreicht man deut­sche Groß­städ­te a la Ber­lin, Ham­burg, Frank­furt, Mün­chen… bei attrak­ti­ven Fahr­zei­ten
Mit zwei­mal Umstei­gen sind wir dann bei euro­päi­schen Haupt/Großstädten wie Kopen­ha­gen, Stock­holm (wenn man weiß wie), War­schau, Wien, Salz­burg, Inns­bruck, Bozen, Vero­na, Paris (in unter sie­ben Stun­den) und Amsterdam.

Prak­ti­sche Bei­spie­le gefäl­lig?
Ich woll­te letz­tes Jahr mit dem Rad am Rhein ent­lang fah­ren, Start­punkt war Basel. Die Ver­bin­dung war Lei­ne­fel­de — Göt­tin­gen und wei­ter nach Basel. Fünf Stun­den 30 Zug­fahrt für ca. 30 €. Unschlag­bar.
Im Herbst war ich in Buda­pest, Kol­le­gen besu­chen. Lei­ne­fel­de — Erfurt, Erfurt — Mün­chen, Mün­chen — Buda­pest. Das gan­ze für 180 € hin und zurück in der 1. Klas­se, Dau­er ca. 12 Stun­den. Unschlag­bar.
Mei­ne Eltern waren die­sen Som­mer in Vero­na zur Oper. Lei­ne­fel­de — Erfurt, Erfurt — Mün­chen, Mün­chen — Vero­na. Gute zehn Stun­den Rei­se­zeit, der Preis lag in der Regi­on wie bei mei­ner Buda­pest-Rei­se. Also auch unschlagbar.

Selbst wenn Max Mus­ter­mann aus Deu­na die­se Ange­bo­te ken­nen wür­de, er wird sie lei­der nicht nut­zen kön­nen, da er das Geld dafür nicht hat. Das muss er näm­lich auf­grund der nicht exis­ten­ten Ver­kehrs­po­li­tik im Land­kreis Eichsfeld für sei­nen Arbeits­weg verballern.

Zurück zu mei­nem Mobi­li­täts­kon­zept…
Vor Jah­ren habe ich das mal für ein Jahr durch­ge­rech­net. Ich kam bei ca. 2.500 € für die Bahn auf das PKW Äqui­va­lent von ca. 18.000 Kilo­me­tern. Alles Frei­zeit­fahr­ten.
Der Durch­schnitts-PKW wird in Deutsch­land mit 15.000 Kilo­me­tern Jah­res­lauf­leis­tung ange­ge­ben. Dabei dürf­te der Groß­teil für all­täg­li­che Wege drauf­ge­hen. Bei 20 € Sprit pro 100 km sind das schon­mal 3000 €, das gleich noch­mal für Anschaf­fung und Unter­halt (und das ist freund­lich gerech­net), da ste­hen da 6000 € pro Jahr. Für deut­lich weni­ger Gegenwert.

Mir ist bewusst, dass nicht jeder Mensch sei­ne Mobi­li­tät so opti­mie­ren kann wie ich. Gar kein The­ma. Aber des­halb muss man weder so ein Desas­ter wie im Land­kreis Eichsfeld ver­ant­wor­ten, geschwei­ge denn als Ein­woh­ner hinnehmen.

Attrak­ti­ve Mobi­li­täts­an­ge­bo­te ent­las­ten die Men­schen nach­hal­tig finan­zi­ell, egal ob in der Groß­stadt oder auf dem Land.

P.S. Wie dem geneig­ten Leser auf­ge­fal­len sein dürf­te, geht es in die­sem Bei­trag um Mobi­li­tät, deren Mög­lich­kei­ten und Kos­ten. Teil­wei­se um Zei­ten.
Auf das The­ma CO2 bin ich bewusst nicht ein­ge­gan­gen.
Nur soviel: Die Kos­ten für die Mobi­li­tät spie­geln den Res­sour­cen­ver­brauch wie­der. Damit auch die CO2 Bilanz. Güns­ti­ge Mobi­li­tät -> weni­ger CO2, teu­re Mobi­li­tät -> mehr CO2.
Somit ist gera­de beim The­ma Mobi­li­tät Geld spa­ren akti­ver Umweltschutz.

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