Warum die Corona-App nicht so erfolgreich ist…
Die Tage feierte die Corona App 100 Tage Verfügbarkeit. Bei ca. 18,5 Millionen Downloads könnte man von einem Erfolg sprechen, aber andere Zahlen lassen da Zweifel aufkommen.
Also redeten die einen die App auf Grund der Download Zahlen schön, die anderen kommentierten die App wegen der deutlich weniger als 10.000 gemeldeten Infektionen in Grund und Boden und hängten natürlich gleicher der Politik das große Versagen an.
Dabei kann offensichtlich niemand sagen, woran es hapert.
Der Source Code liegt offen, also sind Vorwürfe Richtung Überwachungsstaat sinnfrei, die App funktioniert bei mir auf Android ohne Probleme, sie ist auch nicht aufwendig zu bedienen, kosten tut sie auch nichts…
Also triviale Gründe kann da niemand vorschieben.
Den Haken den ich sehe, es ist eines der wenigen Softwareerzeugnisse, das ohne jegliche Zielgruppenanalyse erstellt wurde und vertrieben wird.
Und hier liegt der Hase im Pfeffer, denn wer installiert sich die App?
Ein #Covidiot? Mit Sicherheit nein.
Ein Mensch der meint “Ich bin jung und/oder gesund, mir kann da nichts passieren.”? Sehr unwahrscheinlich.
Jemand, der oder die meint, zu großen Familienfeiern zu gehen, wohlwissend, dass diese Feiern regelmäßig zu einer Big-Party für Corona werden? Ich glaubs nicht.
Menschen, die am Goldstrand, oder wie das Ding da in Bulgarien heißt, Urlaub mit Party machen wollen? Halte ich für ein Gerücht.
Wer also installiert sich die App?
Meine These: Es sind vor allem risikobewusste Menschen, die auch während einer Pandemie am öffentlichen Leben teilnehmen wollen bzw. müssen, die wissen, dass AHA nicht nur ne norwegische Band ist und die für das verbleibende Restrisiko die App nutzen, vor allem um ihr eigenes Umfeld zu schützen.
Somit hätten wir die Situation, dass diejenigen, die die App nutzen, sie de facto kaum bräuchten, weil sie sich eh umsichtig verhalten und die Personen mit mangelnder Umsicht, die die App bräuchten, diese nicht installiert haben.
Wie komme ich zu der These?
Seit Verfügbarkeit der App gab es ca. 86.700 Neuinfektionen, von denen 5608 über die App liefen. Das macht einen Anteil von ca, 6,5%.
Wir haben in Deutschland ca. 60 Millionen Smartphone Nutzer. Bei den 18,5 Millionen Downloads werden sicherlich nicht alle Installationen aktiv sein, sowie ein Teil auf ausländische Smartphonenutzer entfallen. Wenn da 15 Millionen aktive Installationen bleiben, sind wir bei 25% der Smartphonenutzer, die die App nutzen. Wenn also 25% der Smartphonenutzer nur 6,5% der Infektionen melden, passt da etwas nicht, da die Abweichung zu groß ist.
Wie kann also die Abweichung zustande kommen?
1.) Es müsste sehr viele Infektionen bei Menschen gegeben haben, die keine oder zu alte Smartphones nutzen, mithin Kinder, alte Menschen oder Menschen in prekären Verhältnissen.
In dem Bereich gab es zwar einzelne Infektionshotspots, die aber nicht ins Gewicht fallen.
Also kann das nicht-Vorhandensein von Smartphones keine schlüssige Erklärung liefern.
2.) Die App müsste überwiegend von Menschen aus Regionen mit geringem Infektionsgeschehen installiert wurden sein.
Rechnerisch wäre das sicherlich möglich, nur fehlt diesen Menschen eigentlich die Motivation, die App zu nutzen, eben weil es kaum ein Infektionsgeschehen gibt. Abgesehen davon würde das allen Verteilungswahrscheinlichkeiten widersprechen.
3.) Die Menschen haben die App zwar installiert und aktiv laufen, melden aber ihre positiven Ergebnisse nicht.
Theoretisch vorstellbar, aber irgendwie ergibt das keinen Sinn.
4.) Viele Menschen installieren die App, um sie dann nicht zu nutzen.
Wenn ich mich nicht komplett verschätze, dürften nur ca. 3 Millionen Apps aktiv genutzt werden, damit die Meldequote von 6,5% plausibel wird. Was wiederum bedeuten würde, dass 15 Millionen Menschen die App installiert haben, um sie dann zu löschen oder nicht zu nutzen. Fünf von sechs Downloads nur Just for Fun? Ich kann es mir nur schwer vorstellen.
Da die Architektur der App keinerlei Möglichkeiten für Auswertungen in der Richtung zulässt, kann man hier vortrefflich spekulieren. Ich halte diesen Punkt aber nicht für eine wesentliche Ursache.
Egal wie ich es drehe und wende, ich finde keinen Grund rund um die App, der plausibel das offensichtlich geringe Infektionsgeschehen bei den App-Nutzern erklären kann.
Also schaue ich mir das Infektionsgeschehen an.
Schon seit Ischgl und Heinsberg ist bekannt, dass der Virus gerne bei Partys mitfeiert. Dass der Virus sich in schlecht belüfteten Räumen sauwohl fühlt, ist inzwischen wohl Konsens in der Wissenschaft, was ja auch regelmäßig durch “explodierende” (Familien)Feiern bestätigt wird. Ebenso scheint Konsens zu sein, dass an frischer Luft der Virus nicht so große Chancen hat.
Dieses Wissen vorausgesetzt, wozu es nun definitiv kein Medizinstudium bedarf, kann man die Wahrscheinlichkeit, sich selbst zu infizieren, doch sehr deutlich beeinflussen.
Die Gruppe von Menschen, die solche Erkenntnisse in ihren Alltag mit einfließen lässt und sich dazu an die AHA Regeln hält, dürfte daher weniger mit Infektionen zu kämpfen haben, als die Gruppe der Menschen, die sich halt nicht an Regeln hält, oder sich trotz besserem Wissens in Situationen mit hohem Infektionsrisiko begibt.
Was ja de facto durch die Wirkung der im März getroffenen Maßnahmen und den Folgen von diversen Lockerungen belegt ist.
Wir haben also offensichtlich die App-Nutzer mit einem geringeren Infektionsgeschehen sowie eine Gruppe von Menschen im Alltag, mit einem geringeren Infektionsrisiko.
Und wir haben die Nicht-App-Nutzer mit einem höheren Infektionsgeschehen sowie eine Gruppe von Menschen im Alltag mit einem höheren Infektionseisiko.
Und da behaupte ich mal rotzfrech, der Zusammenhang ist zu offensichtlich, als dass er sich nicht auch wissenschaftlich fundierter beweisen ließe. Da mir dazu aber die Daten fehlen, bleibt es bei einer These, die ich hiermit gerne zur Diskussion stelle.